Reinhard Spieker - Papa, Deine Arbeit ist so wie Du warst, einfach #TOLL

CAMPARI. WAS SONST.

Die STORY - Von Reinhard Spieker

Es war alles ganz anders: nicht gleich, aber ein paar Tage später.

 

Angefangen hat es wie immer mit einer Präsentation, nur, dass der Termin wirklich eng war. Von der Nachricht, dass wir (J.W. Thompson) präsentieren sollten, bis zur Pappenvorlage hatten wir zehn Tage Zeit. Wir hatten gerade den schönsten (aus meiner Sicht) Etat verloren, den Thompson damals hatte: Wega.

Da kam die Präsentation für diesen roten Aperitif gerade recht, auch wenn wir eigentlich gar keine Zeit hatten. Es wird sich später herausstellen, dass es diese Kampagne mit mehr Zeit wahrscheinlich nie gegeben hätte.

Ein paar Agenturleute, inklusive George Black, damals oberster JWT-ler, haben sich hingesetzt und wie immer über Positionierungen, Bilder, Inhalte und was man sonst so für eine tolle Kampagne braucht, nachgedacht.

Einen Tag haben wir uns dafür Zeit gelassen, viel Papier beschrieben, Bilder und Layouts gemacht und irgendwie gewusst, dass es schon noch ein paar andere Lösungen geben könnte. Aber wir hatten ja keine Zeit.

Jetzt brauchten wir einen Fotografen, wenn's geht einen tollen. Zwei aus Hamburg hatten keine Zeit (Gott sei Dank), einer aus Zürich auch nicht (Gott sei Dank), nach London wollte ich nicht, New York hätte sicher Spaß gemacht, aber in der Zeit?

In Marie Claire haben wir einen entdeckt, einen aus Paris, er hat zwar nur Mode gemacht, aber irgendwie anders als die anderen. Das war ja schon was, und er hatte Zeit, hat uns sein Repräsentant in München gesagt. Steve Hiett hieß er. Ich kannte ihn nicht, aber das war nicht so wichtig.

Als ich ihn in Paris getroffen habe, war er mir gleich sehr sympathisch, noch mehr, als er mir erzählt hat, dass er früher mit den Rolling Sones Musik gemacht hat. Das sollte noch wichtig werden, weil mein Vertrauen in seine Kreativität gestärkt wurde. Als wir nämlich meine mitgebrachten Skizzen durchgegangen sind, habe ich gemerkt, wie ihm übel wurde. Was mache ich jetzt? Ich musste mit Bildern zurück nach Frankfurt kommen, egal wie. Wir haben uns geeinigt, dass wir eine mitgebrachte Idee umsetzen und dann noch "etwas anderes" machen. Für den vorhandenen Vorschlag hatte er gleicht eine Location im Kopf und wir haben ausgemacht, dass wir und dort am nächsten Tag um 10 Uhr treffen.

Alle waren da, alle waren nett und fleißig. Die Location war ein vergammeltes Chaos, der Fotograf und ich waren leicht verzweifelt. Aber ich musste mit Bildern zurück nach Frankfurt kommen, egal wie.

Wir könnten mal ins Nikko fahren, ein japanisches Hotel, hat Steve gesagt – vielleicht finden wir dort eine außergwöhnliche Ecke für außergewöhnliche Fotos, dachte ich. Na ja, etwas Vertrauen musste sein und wir fuhren hin. Das Hotel war sehr groß, sodass es eine Weile gedauert hat und ich viel Zeit hatte, gegen meine Adrenalinstöße vorzugehen. Wir haben keine besondere Ecke gefunden. Mein mitgebrachtes Konzept war mir inzwischen egal. Der Hotelmanager hat uns dann geraten, den Kongressanbau anzuschauen. Was für ein Quatsch, dachte ich: riesige Wände, riesige Säle. Trotzdem haben wir uns den Anbau angesehen, vielleicht passiert ja ein Wunder.

Wir sind durch eine riesige Halle gegangen und es ist ein Wunder passiert. Ganz hinten rechts in der Ecke stand eine pinkfarbene Bar in Hufeisenform. Wir haben uns das Ding aus der Nähe angeschaut und wussten, damit machen wir was.

Was genau, das wird uns schon noch einfallen. Ich wusste nur, dass wir ganz andere Bilder machen werden als die, die Anfang der 80er Jahre so gemacht wurden. Und diese verdammte Bar wird ihren Teil dazu beitragen.

Es mussten Bilder entstehen, die es in der Werbung damals nicht gab. Die Werbung war voll von Motiven, die von sich behauptet haben, dass sie das Leben sind. All diese süßen Models, süß gekleidet, süß lächelnd und in süßer Umgebung. Selbst wenn das das Leben gewesen sein sollte, mussten wir gegensteuern. Kreative haben eigentlich immer die Aufgabe, gegen das übliche und gegen jede Uniformität anzugehen. Das ist sicher anstrengender, als ständig mit dem Strom zu schwimmen, es ist aber auch wahnsinnig spannend.

Wir hatten also unsere pinkfarbene Bar, unsere beiden Models und das Bedürfnis, unübliche Bilder zu machen. Trotzdem musste es zwischen der Frau und dem Mann eine Beziehung geben. Sie musste nur ganz anders sein als die, die man sich so vorstellt oder die man halt so kennt.

Wir wollten die Beziehung nicht abfotografieren, sondern spürbar machen. Irgendwie musste es knistern. Neben dem reduzierten formalen Auftritt bestand die Fotoregie aus einer einzigen Anweisung: Lächeln verboten. Der Grund dafür war nicht, dass ich der Meinung war, dass die Menschen vereinsamt sind und sich bei einer Flasche Campari die Realität schön saufen. Der Grund war, dass ich nicht das hundertste lächelnde Pärchen fotografieren wollte und dass ich das Gefühl hatte, dass cooles Knistern mehr knistert.

Am Wochenende wurden die Bilder in Paris entwickelt, am Montag kam ich damit in die Agentur. Ein Drama hat sich abgezeichnet: Solche Bilder kann man in der Werbung nicht machen! Warum haben Sie nicht das gemacht, was wir besprochen haben? Lass uns die Präsentation abblasen! Damit fahre ich nicht zum Kunden! Die lachen uns doch aus! Das waren die Kommentare aus der Beraterecke. Na ja, wir haben die Präsentation nicht abgeblasen.

Und jetzt kommt der zweite Glücksfall: Dr. Marco Pirelli-Cippo, damals Geschäftsführer

von Campari Deutschland, hat die Kampagne sofort gekauft. Er war ein Kunde, der sofort begriffen hatte, dass es besser ist, Trends zu setzen als ihnen hinterherzulaufen. Er hat es nicht begriffen, er hat es schon vorher gewusst.

Die Kampagne lief sieben Jahre und sie war gigantisch erfolgreich.

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